Rabu, 04 April 2012

Opel Raritäten – Die vergessenen Helden

am022012_7038_opel_raritaeten_00Ein klassischer Sammler ist Marc Kleist nicht. Der Hamburger mit der Schiebermütze besitzt schlicht alle seine Traumautos – und alle stammen von Opel. Wir blicken in Kleists Garage zum 150. Jubiläum des Blitzes

Opel Diplomat: der schwarze Koloss

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Er wirkt wie ein schwarzer Koloss von einem anderen Stern, der letzte Diplomat B 5,4-Liter. Angetrieben von einem V8 von Chevrolet samt US-Dreigang-Automatik. Während Marc Kleist die roten Nummern anbringt, hüpfe ich begeistert um das schwarz schimmernde Schiff und kann es kaum erwarten, in ihm zu reisen. Eine kurze Kontrolle der Flüssigkeiten nach vier Monaten Standzeit gestattet einen Blick auf das aus dem Vollen gefräste Aggregat und seine opulenten Anbauteile. Allein der optionale Klimakompressor ist größer als der Motor der meisten Kompaktwagen. Nach drei bis vier Anlasserumdrehungen erwacht der Block zu wütendem Leben und rotzt mürrisch schwarze Placken aus zwei dicken Rohren. Bei jedem Gas-Stoß scheint das ganze Zweitonnengebilde einen Schritt nach Links zu machen. Die Straße öffnet sich vor uns. Ich blicke über die nicht enden wollende Motorhaube und bin für kurze Zeit im Jahr 1977. Ein Diplomat V8 kostete 21.000 D-Mark (das sind nach heutiger Kaufkraft und inflationsbereinigt 35.000 Euro) und damit fast 8.000 Deutsche Mark weniger als ein vergleichbarer Mercedes 300 SEL 3.5. Nie wieder hat es später einen Oberklasse-Opel gegeben.
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Think big: Im Diplomat ist alles im Überfluss vorhanden – von Platz über Kraft bis zum fetten Reserverad
Cruising my Religion – vor rund fünf Jahren wurde Kleist von seiner Tanja mit auf eine Kerzenparty geschleppt. Um dort nicht vor Langeweile umzukommen, begann  er ein Benzingespräch und deutete an, schon immer einen Diplomaten haben zu wollen. Ein paar Jungs wußten, wo einer steht,  samt elektrischen Fensterhebern, Scheinwerferreinigungsanlage und Klimaanlage. Bei dem Auto ging zwar nichts mehr so, wie es sollte – aber der Motor sprang an und blubberte den gierigen Blues der klassischen Zündfolge. Kleist kaufte den Exoten, brachte ihn mit kleinem Aufwand über den Baurat und die H-Kennzeichenabnahme und bewegt ihn seitdem. So gut wie regelmäßig.
Es geht in Richtung Hamburger Hafen. Nie zuvor war eine deutsche Limousine amerikanischer, extrovertierter und trotzdem so voller raffinierter technischer Details. Die für damalige Verhältnisse unfassbar brutalen Fahrleistungen werden von vier innenbelüfteten Scheibenbremsen und einer aufwändigen De-Dion-Hinterachse leidlich aufgefangen. Mit jedem Tritt aufs Gas ist zu spüren, wie das Super in Mengen verbrannt und in Bewegung umgesetzt wird. Kleist erzählt von seinem Schrauberkumpel, der die alten großen Vergaser noch nach Gehör einstellen kann und den Verbrauch von 30 Litern auf schlanke 23 Liter senken konnte. Die Automatik lässt die drei Gänge sündhaft weich hineingleiten und kaschiert gekonnt, mit welch brachialer Gewalt das Triebwerk an der Hinterachse reißen will. Zwei winzige Scheibenwischer quietschen sagenhaft langsam „Schietwedder“ von der Scheibe.
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Beim späteren Kaffee gibt Kleist zu, dass der Diplomat und sein Besitzer sich erst aneinander gewöhnen mussten. Bei der ersten Fahrt riss der Keilriemen, bei der zweiten platzte der Kühler, dann rauchte die Lichtmaschine auf, die Ventildeckeldichtung riss, der Vergaser klemmte fest, der Kardanwellendicht-ring flog weg, die Koppel stangen brachen, die hinteren Bremsscheiben und der Lenkungsdämpfer rissen, die Batterie schloss kurz… Irgendetwas verabschiedete sich auf jeder einzelnen Fahrt.
Wenn sein Schatz Tanja den Boliden fährt, behauptet Kleist, schnurre der Diplomat  aber grundsätzlich wie ein Kätzchen. Schade eigentlich, Tanja ist gerade nicht hier. Ich habe nun ein bisschen Angst vor dem Rückweg…
77er Opel Diplomat B V8
Motor:327er Chevrolet V8
Hubraum:5.354 ccm
Leistung:230 PS
Drehmoment:427 Nm bei 3.100 1/min Dreigang
Getriebe:Dreigang-VierganAutomatik “Hydramatic” v. General M
Gewicht:1.700 kg
Höchstgeschwindigkeit:200 km/h
Sprint:0 – 100 km/h: 10 s

Opel Monza: plüschiges Yuppie-Coupé

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Na klar, der darf nicht fehlen, so unkonventionell, wie er ist – der Monza. Im Jahre des Herrn 1985 gönnte sich ein rüstiger Rentner diesen GSE in seiner besten Ausstattungsvariante und hegte und pflegte ihn wie seinen Augapfel. Als der gute Mann dann doch zu zu alt wurde, sollte der Wagen verkauft werden – aber nicht an jeden beliebigen Interessenten. Logisch, dass Kleist seinen ganzen Charme zusammen nahm und schließlich auch mit Fachwissen und seinen anderen Opel punktete. Nach zähen Verhandlungen wechselte der Monza für das Vierfache des damals üblichen Preises den Besitzer. Rostfrei und 100 Prozent original. Sozusagen neu.
Beim Betrachten des schneeweißen, irgendwie antiseptischen Yuppie-Coupés kommen zwangsläufig Gedanken an Tennisturniere am Rothenbaum, androgyne Schönlinge in Segeltuchschuhen mit Pullunder über dem Oberhemd und schlimme Musik im Radio. In der allerletzten Serie verschwand der Chrom vollständig, und die 80er Jahre hielten ungezügelt Einzug. Schmale Recaros, plüschiges Velours und die legendären digitalen Anzeigeinstrumente von VDO Automotive. Heute wirken sie wie ein herrlich bunter, innenbeleuchteter Zauberwürfel. Es blinken bunte Balken und große Zahlen sagen mir, wie schnell ich fahre.
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In Sachen Cockpit ein Raumschiff, in Sachen Platzangebot ein Winzling: Der Monza lässt sich nicht in Schubladen einordnen
Wir lassen den Kompass in Richtung einer stillgelegten Schlosserhalle in einem heruntergekommenen Hamburger Gewerbegebiet zeigen. Der 3,0-Liter-Reihensechser blubbert nicht, er knurrt. Heiser und kraftvoll, obwohl er wegen des damals optionalen und sehr teuren G-Kats statt seiner einst 180 nur noch 156 Pferde hat. Kleist resettet den Bordrechner und kurbelt den weißen Charmeur aus dem neonbeleuchteten Keller des Seniorenhotels seiner Oma elegant ans graue Tageslicht. Klein wirkt er von innen, der Monza. Sagenhaft klein. Fahrer und Beifahrer sitzen sich gefühlt auf dem Schoß, der Pilot nestelt beim Schalten gern mal aus Versehen am Knie seines Nebenmannes herum und die Rundumsicht ist so gut wie nicht vorhanden.
Schmutzig ist es auf dem alten Gelände. Aus dem Mauerwerk herausgebrochene Backsteine, Kabel und Glasscherben von zerschmissenen Fensterscheiben liegen zwischen hochwachsendem Unkraut. Der Monza GSE wirkt hier wie ein in einen aalglatten Neopren-Raumanzug gezwängtes Mitglied der Enterprise-Crew inmitten einer intergalaktischen Müllhalde.
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Durch tiefe Pfützen läuft Kleist vorbei an uraltem Mauerwerk und Stahlträgern und zieht seine Mütze ein wenig tiefer in die Stirn. Aus dem Augenwinkel könnte er auch ein passionierter Golfer sein, der gleich seine Tasche und die Schläger aus der riesengroßen Heckklappe hervorholt. Wenn nicht das dunkle industrielle Ambiente wäre.
Im angrenzenden Kanal dümpelt eine alte Yacht wohl auch schon seit Jahren unbemerkt auf den Wellen und wächst allmählich zu, der Monza dagegen scheint irgendwie zu strahlen und zu wissen, dass er etwas richtig gemacht hat. Denn er ist noch immer da, so wie er einst gebaut und teuer bezahlt wurde. Sein Zustand dürfte in Deutschland einzigartig sein, das neu erstellte Wertgutachten belegt eine Vervielfachung des Kaufpreises vor acht Jahren.
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Mit schwankender Bordspannung entfernen wir uns nach industriellen Eindrücken wieder von diesem düsteren Ort mit seinen Stahltoren und dem alles überragenden Schornstein. Hier schwirren noch ein paar spürbare Fragmente einer Zeit durch die Luft, in der es Opel in Rüsselsheim richtig gut ging. Als man ein Image hatte und mutige, unkonventionelle Autos auf die Straße brachte…
85er Opel Monza GSE
Motor:Reihen-Sechszylinder, Einspritzer
Hubraum:2.968 ccm
Leistung:156 PS (Katalysator)
Drehmoment:248 Nm bei 4.500 1/min
Getriebe:Viergang-Automatik
Gewicht:1.370 kg
Höchstgeschwindigkeit:215 km/h
Sprint:0 – 100 km/h: 8,5 s

Opel Kadett: als GTE ein GTI-Killer

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Geht ab wie Hupe!” Das waren die Worte meines Schwagers Andreas, als er in den frühen 90ern mit seinem roten D-Kadett GTE vorgefahren kam. Seinen Oberlippenbart fand ich damals genau so peinlich wie die riesengroße Hurratüte, die hinten aus dem sozusagen auf der Straße liegenden roten Auto rausragte. Wie lange habe ich keinen GTE mehr gesehen? Überhaupt einen D-Kadett? Nahezu unbemerkt sind die Golf-Konkurrenten in den Schrottpressen verschwunden, und irgendwie hat sie anscheinend auch niemand vermisst. Dabei war er damals schon ein windiger Exot, der nur ein Jahr lang produziert wurde. Gut 36.000 Stück verließen damals die Werke in Bochum und Antwerpen, heute sind noch rund 150 Stück in Deutschland zugelassen. Obwohl der Luftikus alle Qualitäten besaß, die ein Golf-GTI-Killer haben muss. Der im Motorenwerk in Kaiserslautern gefertigte 1,8-Liter-Einspritzer-Vierzylinder leistet 115 PS, die mit nur 900 Kilo Wagengewicht leichtes Spiel haben. Serienmäßige Tieferlegung, kleine Spiegel und eine zeitgemäße Verspoilerung lassen ihn heute dastehen wie ein Kettcar. Komplett original. Okay, bis auf den Lack.
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Schaltstellen für einen potentiellen Golf-Jäger: Im unschein-baren Kadett GTE steckt mehr als nur Opel-Erfahrung
Der GTE ist in dieser Form nach den Tuningorgien der 90er inzwischen derart selten, dass sein Besitzer lächelt und darüber steht. Kleist kaufte den Leichtsportler per Telefon im fernen Frankenländle, und hoffnungsvoll dort angekommen entpuppte sich die Beschreibung des Verkäufers als Märchensammlung. Zum vermeintlichen “Top-Zustand” gehörten damals ein selbstgebauter Sportauspuff, fehlende Originalspoiler und GTE-Folien (beides wird in Gold aufgewogen), riesige Boxenlöcher in der Hutablage, schreiende Radlager, eine kaputte Handbremse und eine defekte Heckscheibenheizung sowie ein schwächelndes Gebläse.
Das Radio war gar nicht mehr da. Aber: kein Rost. Vermutlich der einzige D-Kadett, der aus irgendeinem Grund absolut rostfrei war. Kleist kaufte und konservierte ihn und baute ihn in den Jahren nach und nach wieder in den Originalzustand zurück. Trotz katas-trophaler Ersatzteillage.
Gierig hängt der kleine Silberfisch am Gas. Die fünf Gänge schalten sauber durch, wie auf Schienen hoppelt das spritzige Sport-Gokart spurwechselnd über die Tangenten des Hamburger Trabantenstadtteils Mümmelmannsberg. Der kernige Klang der nun wieder originalen Auspuffanlage hallt ab 3.000 Umdrehungen wundervoll knurrend von den mehr als 20 Stockwerke überspannenden Fassaden der Wohnburgen wieder.
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Schaltstellen für einen potentiellen Golf-Jäger: Im unschein-baren Kadett GTE steckt mehr als nur Opel-Erfahrung
Im Innenraum ist alles Achtziger-Opel. Das Plastik der Armaturen knackt und knarzt (das allerdings auch damals schon ab Werk) bei jeder Bodenwelle, kleine Kipp- und Drehschalterchen lächeln uns innenbeleuchtet an und vermitteln einen angenehm zuverlässigen, rein mechanischen Eindruck.
Überhaupt sind die Rundumsicht und das Raumgefühl erheblich besser als im Monza, und auch die Schalensitze scheinen ihre Insassen nicht komplett einklemmen zu wollen. Da ist sie wieder, die Seele und die Individualität eines alten Autos. Als die balkon-beklebten Betonklötze von Mümmelmannsberg schon wieder sehr schnell hinter uns kleiner werden, setzt der kalte Landregen wieder ein.
Das ist allerdings nicht wirklich schlimm, denn die letzten Fotos machen wir unten in Kleists Wunder-Garage unter dem Altenheim. Ich steige lieber aus, damit die kantige und tiefliegende Kiste nicht irgendwo auf der Abfahrt aufsetzt. Hat Kleist noch etwas im Angebot? Na klar, einen vierten und letzten Kandidaten. Leider fährt der nicht.
83er Opel Kadett D GTE
Motor:Reihen-Vierzylinder, Einspritzer
Hubraum:1.796 ccm
Leistung:115 PS
Drehmoment:151 Nm bei 4.800 1/min
Getriebe:Fünfgang-Getriebe: Fünfgang-Schaltung
Gewicht:987 kg
Höchstgeschwindigkeit:190 km/h
Sprint:0 – 100 km/h: 9,7 s

Opel Ascona: die Rarität

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Ausgerechnet der Ascona von Marc Kleist ist momentan dazu verdammt, sein Dasein abgemeldet in der Tiefgarage zu fristen – eigentlich das Massenauto schlechthin. Er hat den 90-PS-Opel vor einem Jahr von einem Sammler im Internet gekauft, weil er ihn an seine Jugendzeit bei der Bundeswehr erinnerte. Das sportliche Spitzenmodell 1.6 SR der Ascona-C-Baureihe ist von 1982, der Zeit des kalten Krieges. Auch hier hat man nüchtern den Chrom der 70er weitestgehend gegen Kunststoffe ausgetauscht oder werksseitig überlackiert.
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Einst langweilige Massenware, heute gesuchte Rarität: Opel Ascona in gutem Zustand. Dieser hier fährt leider nicht
Zeitgenössische Feinheiten wie die zweifarbige Lackierung, die Schmutzfänger und die Felgen machen dieses Auto allerdings zu einer absoluten Rarität, denn selbst die bei McDrive so oft angetroffenen “Assi-Conas” B oder C sind inzwischen weitestgehend ausgestorben.
Äußerlich sieht Kleists Ascona SR ein bisschen wie ein gestauchter Monza aus, von innen erinnert er stark an den Kadett. Aber die drei Jungs kommen auch aus der gleichen Epoche und scheuen daher jeglichen Vergleich mit dem von der Ausfahrt immer noch leise knackenden und tickenden Diplomat, der über die Designs der 80er Jahre nur erhaben lächeln kann.
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Lächeln? Ich mache das auch, aber voller Ehrfurcht. Es gehört eine große Portion Weitblick und ein gegen Unkenrufe gut gewappnetes dickes Fell dazu, sich solche Autos wie Monza, Kadett und Ascona statt Kapitän, GT oder Speedster wegzustellen. Und genau so, wie manche Leute heute wieder drei Modern-Talking-Lieder nacheinander ertragen und sogar laut mitsingen, kann man plötzlich ein gewisses Begehren für diese irgendwie doch ein bisschen prolligen, aber ehrlichen und authentischen kleinen Krawallmaschinchen empfinden. Der Diplomat dagegen wollte eine Luxuslimousine sein und wurde ein schaukelndes Schiff mit dickem Motor und viel Komfort. Gerade das macht den letzten Oberklasseversuch zum akzeptierten Klassiker.
Sollten Sie mal nach Hamburg kommen – kann sein, dass Sie von den Vergasern des Diplomat angesaugt oder von kleinen, bissigen Einspritzern gejagt werden…
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82er Opel Ascona C 1.6 SR
Motor:Reihen-Vierzylinder, Einspritzer
Hubraum:1.587 ccm
Leistung:90 PS
Drehmoment:126 Nm bei 3.800 1/min
Getriebe:Fünfgang-Getriebe: Fünfgang-Schaltung
Gewicht:1.020 kg
Höchstgeschwindigkeit:170 km/h
Sprint:0 – 100 km/h: 13 s
Bilder: Jens Tanz

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